Speaker-Interview: Nicole Diekmann

Wir freuen uns, Nicole Diekmann, Hauptstadtkorrespondentin fürs ZDF, als Sprecherin beim diesjährigen Medienforum begrüßen zu dürfen.

Nicole Diekmann, Hauptstadtkorrespondentin fürs ZDF; Bildnachweis: Nicole Diekmann

Können Sie uns etwas zu Ihrem Beruf und zu Ihrer Person erzählen?

Ja, ich bin Hauptstadtkorrespondentin fürs ZDF in Berlin seit 2015. Ich war vorher von 2011 bis 2015 Kriegs und Krisenreporter, beim ZDF und vorher habe ich ebenfalls beim ZDF im Morgenmagazin gearbeitet als Reporterin und als Planerin vor allen Dingen. Außerdem bin ich Kolumnistin bei T-Online und bin Podcasterin.

Das Motto des diesjährigen Medienforums lautet ,,Brave New Media World-alle Macht den Plattformen!?“. Was stellen Sie sich unter dem Begriff vor?

Unter dem Begriff Brave New Media World: eine Transformation, einen Umbruch in der Medienwelt, der meiner Ansicht nach noch nicht von allen Beteiligten und Verantwortlichen in seiner Dimension erfasst worden ist. Der eine krasse Machtverschiebung bedeutet, eine Veränderung der gatekeeping Funktion der bisher dafür verantwortlichen Medien bedeutet und der schleunigst reguliert werden muss und regulatorisch begleitet.

Wir dürfen Sie als Speaker beim diesjährigen Medienforum begrüßen. Worauf sind Sie gespannt bzw. worauf freuen Sie sich am meisten?

Auf die Fragerunde, weil ich seit einigen Jahren aus der Ausbildung heraus bin. Egal, ob man versucht, dies einigermaßen aufzuhalten oder dem entgegenzuwirken, lässt es sich nicht komplett vermeiden, sich von der Lebenswelt, zum Beispiel von Studierenden oder Auszubildenden, zu entfernen. Da gibt es natürlich immer einen Unterschied, weil das in meinem Alter keine Rolle mehr spielt. Deshalb freue ich mich sehr, auch durch Fragen viel mehr darüber zu erfahren, welche Themen gerade relevant sind in dieser Generation, welche drängenden Fragen existieren, und welche Erwartungen bestehen.

Wie sehen Sie die Rolle von Social media in der heutigen Gesellschaft, insbesondere im Hinblick auf Meinungsbildung und öffentliche Diskussion?

Ich sehe das sehr kritisch. Dazu habe ich auch ein Buch geschrieben, das 2021 veröffentlicht wurde „Die Shitstorm Republik“. Das sagt wahrscheinlich schon einiges aus. Die Plattformen haben sich lange Zeit davor gedrückt und versuchen es zum Teil auch noch heute, sich als Verantwortliche zu sehen bzw. das nach außen zu kommunizieren. Allen vorweg, weil es die erste wirklich relevante Plattform war, war Facebook. Aber auch Twitter und TikTok versuchen sich als ledigliche Infrastruktur darzustellen die von Leuten genutzt wird, das bedeutet das die Plattformen sich einen schlanken Fuß machen und versuchen, sich aus der Affäre zu ziehen, wenn es darum geht, tatsächlich Fragen zu beantworten und Anforderungen zu erfüllen, wie zum Beispiel Hassrede. Wir sehen das im im Moment, zum Beispiel bei dem wachsenden Antisemitismus, aber auch dem Hass gegenüber Muslimen, ausgelöst durch den 7. Oktober in Israel. Es fehlt an klaren Positionierungen und Flagge zeigen. Da ist immer noch der Versuch, abgestuft von Plattform zu Plattform unterschiedlich, sich da aus der Affäre zu ziehen und auch ganz pragmatisch möglichst wenig Geld zu stecken, z.B. in die Moderation von Content. Deswegen sind die Sozialen Plattformen problematisch für die Debattenkultur und letztlich auch für unsere Demokratie.

Wie gehen Sie denn eigentlich mit Hassreden in den sozialen Medien um?

Ich fahre mittlerweile dreigleisig. Ich bin sehr lange Jemand gewesen, die nicht geblockt hat, doch das hat sich in den letzten Wochen und Monaten radikal verändert. Ich blocke sehr schnell, ich schränke die Kommentarfunktionen unter meinen Beiträgen ein. Auf den Plattformen, wo es möglich ist, lösche ich auch relativ strikt, wenn ich denke, das führt hier wirklich in eine ganz destruktive Richtung. Zusätzlich melde ich vermehrt. Ich wähle einzelne Kommentare aus und versuche sie durch eine bestimmte, aber stets höfliche Art und Weise den Unsinn oder die Grenzüberschreitung zu identifizieren und aufzuzeigen.

Wir hatten auch ihr Buch dazu gelesen, wie wichtig ist der geduldige Erwerb eigener Social Media Kompetenz gerade in Bezug wichtiger Politiker? 

Das ist total wichtig, gerade jetzt, wo zum Beispiel Elon Musk, der Twitter, als es noch Twitter hieß und noch nicht X so wie jetzt, gekauft hat, sehr aktiv mitmischt und andere das aber auch tun, und zwar im Zweifel durch Passivität. Auch Mark Zuckerberg lässt die Dinge immer noch zum Teil so laufen wie sie nicht laufen dürften. Daher ist es entscheidend, dass Politiker erstens in der Lage sind zu beurteilen, welche regulatorischen Maßnahmen erforderlich sind, um zumindest die Verbreitung dieses Hasses einzudämmen. Es ist natürlich naiv zu glauben, dass er vollständig ausgelöscht werden kann. Zweitens müssen Politiker jedoch auch erkennen, wenn sie auf Narrative hereinfallen. Ein aktuelles Beispiel verdeutlicht dies: In der vergangenen Woche fand ein Interview im britischen Fernsehen mit einem Historiker statt, der für einen äußerst radikalen Blick auf den Islam bekannt ist. Ein deutscher Kolumnist, der ebenfalls einschlägig bekannt ist, postete Auszüge dieses Interviews. Die Dekontextualisierung stellt ein wiederkehrendes Problem in sozialen Netzwerken dar, das von einigen Personen ausgenutzt wird. Überraschenderweise sind auch namhafte deutsche Politikerinnen und Politiker, einschließlich einer Wirtschaftsweisen, auf diese Darstellung eingegangen, ohne zu wissen, wer dieser Interviewpartner tatsächlich ist, welchen Hintergrund er hat und in welchem Kontext seine Aussagen stehen. Eine solche Unkenntnis ist gefährlich, da sie in dem Moment aktiv zur Verschiebung des Diskurses beiträgt. Personen werden salonfähig gemacht, obwohl dies eigentlich nicht gerechtfertigt ist.

Vielen Dank für das Interview!

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