Gemeinsam gutes Miteinander schaffen!

Interview mit Merve Kayikci

Merve Kayikci erreicht mit unterschiedlichen Medienformaten tagtäglich mehrere tausende Menschen. Sie ist gefragte Rednerin und beim Ostfalia Medienforum 2021 als Teilnehmerin der Diskussionsrunde dabei. Kassandra Lenser hat im Interview nachgefragt, wie sie auf den Namen ihres bekannten Blogs und Podcasts „Primamuslima“ gekommen ist, welches Feedback sie von ihren Zuhörer:innen erhält und wo die Motivation hinter ihrer journalistischen Arbeit liegt.

Ein Portraitfoto von Merve Kayikci. Bildnachweis: Dominik Asbach

Frau Kayikci, eine direkte Frage zum Einstieg – auf welche Medien und Apps könnten Sie nicht verzichten?

Eine App, auf die ich verzichten könnte, ist Instagram. Sie ist mir eingefallen, weil sie eigentlich sehr wichtig erscheint, weil ich dort jeden Tag etwas poste, aber ich verspüre oft den Druck etwas posten zu müssen! Oder besser gesagt: ich habe das Gefühl, ich muss sie benutzen – wegen meinem Beruf zumindest. Deshalb könnte ich nur auf sie verzichten, wenn es sie gar nicht geben würde.

Sie sind Projektmanagerin beim SWR und freiberufliche Journalistin – wo beschäftigen Sie sich dabei mit Medienkompetenz, welche Erfahrungen haben Sie dazu vielleicht schon gesammelt

Ich habe eine Zeit lang Schulungen gegeben für die Konrad-Adenauer-Stiftung, im Bereich Medienkompetenz. Wir sind in Schulen gegangen und haben Workshops mit den Schüler:innen gemacht, damit sie mit Medien umgehen und Sachen einschätzen können. Zum Beispiel Fake News erkennen, Nachrichten einordnen und auch selber Medien produzieren. Wir haben mit den Schüler:innen auch geübt wie man einen Podcast oder eine Instagram-Story produzieren kann. Das ist mein Bezug zu dem Thema. Medienkompetenz braucht man natürlich, wenn man Medien produziert, weil man einschätzen muss, wo die Konsument:innen sind, warum sie dort sind, welche Erwartungen und Bedürfnisse sie haben. Damit man diese auch erfüllen kann und die Menschen erreicht.

Sie sind als Bloggerin gestartet, Ihr Blog heißt „Primamuslima“, heute trägt diesen Namen der Podcast, den Sie für den BR produzieren. Darin sprechen Sie über Muslime und ihren Alltag in Deutschland. Wie sind Sie auf den Namen „Primamuslima“ gekommen?

Im innermuslimischen Diskurs gibt es die Erwartungshaltung, dass Muslime irgendwie immer die perfekten Muslime sind. Es wird zum Beispiel geguckt, trägt man sein Kopftuch richtig, macht man dies richtig und das richtig. Ich glaube, ich habe mich Primamuslima genannt, weil ich zeigen wollte: Jede Muslime ist eine prima Muslimin, so wie sie ist. Also, um an mehr Vielfalt und Toleranz im innermuslimischen Diskurs zu appellieren. Jedoch bin ich mir nicht sicher, ob das jemals so angekommen ist in der Community, weil mein Podcast und Blog wird mehrheitlich von Nichtmuslimen konsumiert.

Wie würden Sie Ihr Publikum bzw. Ihre Zielgruppe beschreiben, welche Resonanz erhalten Sie für Ihren Podcast, aber auch für Ihre Arbeit?

Für den Podcast bekomme ich sehr gute Rückmeldungen. Ich erreiche vor allem Nichtmuslime, die sich für muslimische Lebenswelten interessieren und mehr über Muslime erfahren wollen. Mein Beruf beschränkt sich aber nicht nur auf Themen des Islams. Ich mache auch ganz viele andere Sachen, die nichts mit dem Islam oder Muslimen zu tun haben und auch dafür erhalte ich positive Resonanz. Dennoch merke ich, dass die Sachen, die ich über den Islam mache, meist mehr Aufmerksamkeit kriegen.

Welche Motivation haben Sie bei Ihrer Arbeit, was treibt Sie an, welche Botschaft möchten Sie damit vermitteln?

Ich habe die Motivation, dass unsere Gesellschaft offener wird und die Heterogenität von allen Menschen gesehen wird. Also, dass die Gesellschaft die Menschen nicht in Gruppen einteilt und sagt, es gibt homogene Schubladen. Sondern das gesehen wird, dass Menschen sehr vielschichtig und dreidimensionale Charaktere sind, die viele unterschiedliche Facetten haben können. Nicht nur auf Muslime, sondern auf alle Menschen bezogen, Das ist meine Botschaft. Dass wir nur gemeinsam, ein für uns alle, gutes Miteinander schaffen können! 

Das Thema des Medienforums ist Medienkompetenz. Medien repräsentieren immer auch die Gesellschaft, bzw. versuchen dies. Welche Herausforderungen sehen Sie in diesem Punkt und was braucht es, um diese erfolgreich zu meistern?

Da muss ich richtig laut lachen. Medien versuchen die Gesellschaft zu repräsentieren? Ich kann nicht aufhören zu lachen, weil ich ehrlich gesagt nicht das Gefühl habe, dass sie das tun. Wenn sie das machen würden, dann würden die Medien ganz anders aussehen. Ich finde, die Herausforderung ist, dass die Medien verstehen müssen, dass sie nicht die Gesellschaft repräsentieren, aber dass sie es müssten. Damit alle Menschen in der Gesellschaft sich gesehen und repräsentiert fühlen, sowie auch gleichermaßen Vertrauen in die Medien haben. Medien müssen kritisch sein und auch die gleichen Maßstäbe an sich ansetzen, die sie an andere ansetzen, die sie zum Beispiel kritisieren oder von oben herab betrachten. Die Medien müssen sehen, dass sie selbst nicht objektiv sind, sondern eine eigene subjektive Brille haben. Das fällt ihnen vielleicht selbst nicht auf, weil es sich mit der Sichtweise der Mehrheit deckt. Da muss sich wirklich noch einiges ändern.

Wir dürfen Sie als Expertin beim Medienforum am 8. Dezember begrüßen, was hat Sie dabei besonders angesprochen? Worauf freuen Sie sich schon?

Ich freue mich besonders darauf, dass ich Menschen mit meiner Botschaft erreichen kann, die selber diese Botschaft verstehen und weitertragen. Ich habe das Gefühl, dass ich eine andere Sichtweise auf die Medien habe, die vielleicht noch nicht so verbreitet ist in den Medien, die aber sehr legitim ist. Ich glaube, dass beim Medienforum viele Menschen da sind, die offen dafür sind, neue Sichtweisen zu lernen, zu verstehen, zu sehen und sie auch wahrzunehmen, anzuerkennen sowie ihnen einen Platz zu geben. 

An der Ostfalia Hochschule gibt es u.a. die Studiengängen Medienkommunikation, Medienmanagement, Kommunikationsmanagement, sogar Mediendesign. Welche Tipps haben Sie für Medienstudierende, die sich für eine berufliche Zukunft im Bereich des öffentlich-rechtlichen Rundfunks interessieren?

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat einen sehr wichtigen Auftrag für unsere Gesellschaft und wenn man in diesen Bereich gehen möchte, dann sollte man sich fragen, warum man das möchte. Wenn man wirklich die Motivation hat, unsere Gesellschaft zu formen, unserer Gesellschaft zu helfen und den öffentlich-rechtlichen Auftrag zu erfüllen, dann ist es bestimmt das Richtige für einen. Der Vorteil ist, dass es viele Möglichkeiten bei uns gibt. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ein riesengroßer Apparat ist. Er besteht aus vielen Sendern, vielen Fachredaktionen und Bereichen. Da ist für jeden was dabei. Aber man sollte sich überlegen, wo in diesem riesengroßen Netz, der verschiedenen Abteilungen, man sich sieht, sich am wohlsten fühlt und wo Menschen sind, mit denen man gerne zusammenarbeiten möchte. Ich kenne junge Leute, die mit der Uni fertig werden und sich dann irgendwo für ein Volontariat bewerben, aber das Unternehmen nicht richtig kennen. Bevor ich mich auf einen Job bewerbe, würde ich mich sehr gut informieren, welche Menschen in der Abteilung arbeiten, was sie dort machen, wie das Klima ist. Heutzutage ist alles so transparent, dass man über LinkedIn Leute finden kann oder auf Instagram. Manche Journalist:inneen haben auch Blogs. Setzt euch einfach in Verbindung mit den Leuten und versucht die Arbeit vorerst ein bisschen von außen zu verstehen und kennenzulernen. Es macht auf jeden Fall Sinn, sich vorher Gedanken zu machen, wo und wie man arbeiten will und wo man seine Stärken einbringen und sich persönlich und beruflich weiterentwickeln kann.

Vielen Dank für das Interview! 

Zur Person

Merve Kayikci ist Projektmanagerin beim SWR sowie freiberufliche Journalistin. Sie ist unter anderem als Moderatorin tätig, betreibt ihren eigenen Blog und ist als Podcasterin mit dem Podcast „Primamuslima – Wir reden mit“ (BR) bekannt geworden. Weiter ist sie auch Host vieler weiterer Audio-Formate zum Beispiel von „Naber? Was geht!“ (SWR), „Sack Reis – was geht dich die Welt an?“ (SWR) oder „Maschallah!“ (Deezer). Gleichzeitig ist sie eine sehr gefragte Rednerin für diverse Veranstaltungen wie beispielsweise bei der Re:publica oder beim KORA Forum und jetzt auch für das Medienforum 2021 der Ostfalia Hochschule. Sie hat für ihre innovativen Medienformate bisher drei Preise gewonnen. Neben dem Robert Geißendörfer Preis, den Klicksafe Preis sowie den republica Podcast Preis. Dieses Jahr wurde sie vom Medium Magazin zu den Top 30 unter 30 Journalist*innen gekührt.

Kassandra Lenser