"Wer gute Argumente hat, kann die Welt verändern."

Interview mit Dario Nassal

Eine Plattform entwickeln, die in einer Informationsflut einen Überblick über verschiedene Meinungen gibt. Die nicht nur eine Stimme vertritt, sondern Vielfältigkeit widerspiegelt. Die eine Gelegenheit bietet, sich mit Motiven von Andersdenken auseinandersetzt und für mehr Verständnis innerhalb der Gesellschaft sorgen soll. Dario Nassal und Felix Friedrich haben diese Idee gehabt und sie 2020 mit der Buzzard-App umgesetzt. Dario Nassal spricht im Interview mit Kassandra Lenser über seine Motivation als Gründer sowie Perspektiven, um Fake News und Filterblase zu vermeiden. 

Herr Nassal, eine direkte Frage zum Einstieg – auf welche Medien und Apps könnten Sie nicht verzichten?

Ich persönliche nutze natürlich jeden Tag die Buzzard App, weil ich damit auch arbeite. Ansonsten nutze ich viel Deutschlandfunk, Zeit Online, Süddeutsche und die FAZ-App, also viel die Nachrichten. Allerdings finde ich es immer gut und hilfreich, sich unabhängig zu fühlen von Medien und Apps. Dass man eben nicht nur ein Medium oder eine App hat, auf die man nie verzichten kann, sondern dass man versucht verschiedene Alternativen auszuprobieren. Ich mache das natürlich beruflich, deswegen ist mir das besonders bewusst, aber hier der Appell an alle, dass vielleicht auch in der Freizeit mehr zu machen! 

Einer der Gründer von Buzzard, Dario Nassal. Bildnachweis: Dario Nassal

Sie sind Gründer der App Buzzard – Was ist Medienkompetenz für Sie, wo beschäftigen Sie sich bei Ihrer Arbeit mit Medienkompetenz und welche Erfahrungen haben Sie dazu vielleicht schon gesammelt? 

Medienkompetenz ist aus meiner Sicht die Fähigkeit, bewusst, kritisch und vielfältig mit Medien umzugehen, denn wir leben in einer Zeit, in der man jeden Tag mit einer Vielzahl an Medien konfrontiert wird. Das heißt, dass man zum Beispiel nicht alles glaubt, was man über Social Media sieht und prüft: Wer steckt hinter dieser Nachricht, gibt es jemanden, der diese Nachricht auch verbreitet hat und kann ich dieser Nachricht trauen? Also zu lernen, wie verschiedene Medien in Deutschland ausgerichtet sind.

Das ist bei Buzzard natürlich ein extrem wichtiger Teil unserer Arbeit. Wir sind Expert:innen der Medienlandschaft und wir schauen uns jeden Tag über 1.900 Quellen an, vergleichen diese miteinander und prüfen natürlich auch, wer dahinter steckt und was es mit den Fakten auf sich hat. Genau das macht die Buzzard-App auch so besonders. Wir empfehlen eben nicht nur die Artikel, sondern recherchieren Zusatzinformationen und geben diese auch mit an. So könnte man sagen, trainieren wir in unserem Team, und ich auch jeden Tag selbst, Medienkompetenz bei unserer Arbeit. Ich habe auf jeden Fall die Erfahrung gemacht, seit wir mit Buzzard angefangen haben, dass ich die Medienlandschaft selbst auch extrem gut kennengelernt habe und viel besser einschätzen kann. Wie verschiedene Redaktionen auf Nachrichten reagieren, wie verschiedene Blogger:innen in Deutschland eingestellt sind, wie Debatten verlaufen, wo die Fronten sind. Und natürlich sind wir alle im Team auch viel schneller und effizienter darin geworden, Fakten zu checken, weil es einfach zu unserem Job gehört. 

In der App Buzzard werden Medienstimmen des ganzen Meinungsspektrums gebündelt und journalistisch eingeordnet. Wie ist die Idee zu diesem Projekt entstanden und wie funktioniert Buzzard?

Die Idee ist entstanden, weil es Felix Friedrich und mich während unseres Politikstudiums aufgeregt hat, dass bei aktuellen Debatten – zum Beispiel beim Klimathema – sehr oft die Fronten verhärtet sind, dass man anderen Argumenten nicht wirklich zuhört, beleidigend gegenüber der Gegenseite wird, anstatt sich wirklich die Argumente anzuschauen und sich mit Motiven von Andersdenkenden zu beschäftigen. Das passiert sehr oft heutzutage und es wird auch immer extremer. Wir haben uns gesagt, wenn Medien so wichtig sind, weil sie unsere Einstellungen prägen, gegenüber vielen Themen, dann müssen wir bei den Medien ansetzen und da was verändern und so kam die Idee zu Buzzard.

Wir haben uns gesagt, dass wir viel mehr Einfluss haben können auf die Art und Weise, wie Debatten geführt werden und wir können Debatten konstruktiver machen, wenn wir eine neue Plattform bauen, die einen Überblick schafft, was verschiedene Medien in Deutschland und Europa sagen. Das kann vielleicht auch dazu führen, dass man öfter mit Argumenten außerhalb seiner eigenen Filterblase konfrontiert wird und ein bisschen mehr Verständnis für Andersdenkende gewinnt. Buzzard funktioniert so, dass man zu drei Themen am Tag, also großen tagesaktuellen Debatten, viele verschiedene Stimmen aus der ganzen Medienlandschaft, also von links bis rechts im Überblick in unserer App und online findet. Man geht dann auf ein Thema, bekommt dazu eine kurze Zusammenfassung und sechs bis acht sehr verschiedene Positionen, die wir aus einem Pool aus 1900 Quellen aussuchen. Zu jeder dieser Positionen erscheint eine kurze Zusammenfassung und ein Link zum Originalartikel sowie eine kleine Anmerkung zur Redaktion.

Was motiviert Sie bzw. das Team von Buzzard bei Ihrer täglichen Arbeit, was treibt Sie an und welche Botschaften möchten Sie mit Ihrer Arbeit vielleicht auch vermitteln?

Uns motiviert bei Buzzard, bei unserer täglichen Arbeit der Gedanke, dass wir eine Demokratie leben, in der wir alle gestalten können, wie über Themen diskutiert wird und wie sich vielleicht auch Dinge verändern. Wir alle können etwas verändern, hier in diesem Land, indem wir uns kritisch informieren, indem wir eben auch für die Argumente einstehen, die wir für wichtig halten. Uns ist wichtig, dass man anhand von Argumenten verschiedener Seiten versucht konstruktive Lösungen zu finden für große Fragen unserer Zeit und dies wollen wir stärken. Wir sagen in unseren Workshops sehr oft: „Wer gute Argumente hat, kann die Welt verändern.“ Das ist etwas, was wir den Jugendlichen und Erwachsenen mitgeben wollen und uns auch motiviert. 

Welche Pläne und Ideen gibt es für die Zukunft von Buzzard, wovon können Nutzer:innen der App schon jetzt aber auch zukünftig profitieren?

Gerade ist es so, dass man in der App drei Themen am Tag lesen kann, dass man Artikel teilen und sie sich abspeichern kann und. Seit ein paar Wochen gibt es die Neuerung, dass man sich einmal am Tag diese ganzen Themen auch anhören kann, es gibt jetzt Buzzard-Audio. Darüber freuen wir uns sehr und wir haben positives Feedback bekommen. Das ist eine richtige coole Sache. Wenn man unterwegs ist, kann man sich nebenher jeden Tag 10-12 Minuten die wichtigsten Perspektiven in Kurzform anhören. In Zukunft wollen wir, dass es interaktiver wird, dass man auch mit debattieren kann innerhalb der App. Dass irgendwann auch Videos möglich sind und man sich nicht nur Texte durchlesen und hören kann, sondern auch Videos anschauen kann. Das heißt man kann sich darauf freuen: Das Buzzard-Universum wird wachsen und wir haben jetzt schon die ersten Schritte gemacht. Nächstes Jahr wird sich sehr viel in diese Richtung auch weiterentwickeln. 

Was können Menschen, wir alle in der digitalen Gesellschaft selbst tun, um Fake News und Filterblasen zu vermeiden?

In unseren Workshop kommen, dort teilen wir das im Detail mit. Aber um es ganz kurz zu sagen: Man sollte versuchen sich bewusst zu machen, dass man in einer Filterblase ist, wenn man auf Social Media unterwegs ist. Deshalb auch bewusst Seiten und Influencer:innen folgen, deren Meinungen man vielleicht nicht teilt, also beispielsweise, wenn man eher linksliberal ist, nicht nur linksliberale Medien konsumiert, sondern guckt, was sagen konservative Stimmen. Also sich vielfältig aufzustellen, damit man eben bewusst mal Meinungen in den eigenen Feed gespült bekommt, die man vielleicht nicht teilt. 

Wir dürfen Sie und einen Teil Ihres Teams als Vortragende beim Medienforum im Dezember begrüßen. Worauf freuen Sie sich? 

Wir freuen uns mit Ihnen und Euch in den Austausch zu kommen. Wir sind sehr gespannt auf die Fragen vielleicht auch die Ideen, die aus dem Publikum kommen und fühlen uns geehrt, dass wir unsere Idee vorstellen dürfen. 

Vielen Dank für das Interview! 

Zur Person

Dario Nassal ist Gründer, Redaktionsleiter und Geschäftsführer bei Buzzard. Von 2011 bis 2014 hat er Politik- und Literaturwissenschaften an der Universität Mannheim und der Marmara Universität in Istanbul studiert, sowie zwei Jahre lang Internationale Beziehungen an der Universität Amsterdam. Während des Studiums arbeitete er als freier Journalist u.a. für die Süddeutsche Zeitung, die Stuttgarter Zeitung und den Mannheimer Morgen. Das Journalismus-Startup Buzzard startete Nassal nach seinem Masterabschluss in Politikwissenschaften gemeinsam mit Felix Friedrich. Er war bereits als Gastdozent für die Universität Leipzig und die Popakademie Mannheim tätig und als Speaker auf der Frankfurter Buchmesse. Neben seiner Tätigkeit bei Buzzard spielt er als Musiker in Rock- und Jazzbands.

Kassandra Lenser